eingeweiht am 17. Februar 2008

eingeweiht am 17. Februar 2008
Newborn Denkmal in Prishtina, eingeweiht am 17. Februar 2008.Aufbruch in eine neue Zukunft!

Mumsen und Lisa mitten drin!

Mumsen und Lisa mitten drin!
Mumsen und Lisa mitten drin!

Nach 3 Monaten

Nach 3 Monaten
Ein Bild zum Abschied - der Winter ist fast da, Lisa hat eine neue Frisur, Mumi eine neue Sitzhaltung....und wir sind voller Erlebnisse und Eindrücke....

Mire se vini

Ludwigsburg / Lüneburg 01.11.2010

Wir sind wieder zurück!

Der Aufenthalt im Kosovo ist beendet und wir sind mit unglaublichen Eindrücken, Erlebnissen, Fragen, Unsicherheiten und Erfahrungen zurückgekehrt in den Alltag. Als Erinnerung bleibt nicht nur dieser Blog!


Wer sind wir und was machen wir hier?

Wir sind Muhamet und Lisa, zwei Studierende von der PH Ludwigsburg bzw. Uni Lüneburg. Dank eines ASA Stipendiums haben wir die Möglichkeit bekommen, hier in Prishtina, Kosovo ein Projekt durchzuführen.

Hier auf diesem Blog wollen wir euch mit kleinen Anekdoten, Geschichten, Gedanken an unseren Erfahrungen Teil haben lassen. Es wird hoffentlich interessant, lustig, nachdenklich, schrill, aufklärend und und und. Rechts unter der Rubrik 'Seiten' findet ihr unsere Projektbeschreibungen und jeweilige Entwicklungen.

Viel Spaß wünschen wir!

Donnerstag, 14. Oktober 2010

(lisa) Mrs. Hillary und die Flaggen 13.10.2010

Die Stadt ist aufgeregt! Großer Besuch wird erwartet! Hillary Clinton ist auf dem Balkan unterwegs. Serbien und Kosovo stattet sie einen Besuch ab, um „die Führungen in Belgrad und Pristhina dazu zu bewegen, ihre Beziehungen zu normalisieren“. In Pristhina wird sie mit überdimensionalen Postern überall in der Stadt Willkommen geheißen.
 
In der Nacht vom 11. auf den 12. Oktober wird die Stadt in ein Meer aus Amerikanischen, Kosovarischen und Albanischen Flaggen verwandelt. Die Straßen sind gesäumt von den Flaggen und wirken ganz majestätisch, über der Fußgängerzone hängt ein Himmel aus Flaggen, auch Taxis fahren die Flaggen spazieren. Hillary wird mit Freude erwartet.
Am 12. idann st die Stadt pompös geschmückt.....aber irgendwas fehlt! Die albanische Flagge mit dem schwarzen Doppelkopfadler auf rotem Hintergrund wurde überall in der Stadt abgenommen (von einer Firma die sich um die Reinigung und Instandhaltung von Regierungsgebäuden kümmert, wie ich hinterher lese – 'Reinigung', das hört sich in diesem Kontext ja fast ein wenig böse an....). Hillary soll nur mit der Flagge der USA und der Flagge des Kosovo begrüßt werden. Die albanische Flagge hat da anscheinend nichts zu suchen. 

 
Als ich mit Mumsen darüber rede, wirkt er sehr getroffen. Das ist etwas, das ich mit meinem nicht so ausgeprägten Nationen-Gefühl nur schwer verstehen kann. Für viele Albaner hier hat die albanische Flagge eine sehr große Bedeutung, es ist die Flagge, mit der sie sich identifizieren. Die blaue Flagge, die das Wappen des Kosovos trägt – den Umriss des Landes sowie 6 Sterne, die die Ethnien im Land symbolisieren sollen – Albaner, Serbien, Bosniaken, Türken, Roma und 'andere Minderheiten' (oder manche sagen auch, der Stern gehört den Goranern) -  diese Flagge wird von vielen nicht akzeptiert, sie wird als etwas 'Gemachtes' als etwas 'Aufgedrücktes' gesehen, es sind Farben und Symbole, mit denen sich der Hauptteil der Bevölkerung nicht identifizieren kann.
Einerseits denke ich mir, es ist richtig, in der Flagge auf unterschiedliche Ethnien hinzuweisen. Denn darum sollte es hier gehen – um das friedliche Zusammenleben vieler Ethnien. So 'newborn' wie das Land eben ist, muss auch eine neue Flagge her, die der gesamten Bevölkerung gerecht wird. Das würde der schwarze Doppelkopfadler auf rotem Grund nicht sein. Andererseits besteht die Bevölkerung hier nun mal zu fast 90% aus Albanern und ich kann auch verstehen, wenn sie als Hauptbevölkerungsgruppe eine Identifikationsmöglichkeit mit ihrer eigenen Flagge fordern....
Ein Geschichtsstudent von der Uni Prishtina ist ganz erpicht darauf, mir von seiner Meinung zu berichten. Die albanische Flagge besitzt eine lange Tradition, die Farbe Rot steht für das Blut, das die Bevölkerung in all den Jahrhunderten im Kampf um die Unabhängigkeit Albaniens vergossen hat (seeeehr patriotisch wie ihr merkt...:-), auch der schwarze Adler hat eine wichtige Bedeutung, die ich allerdings in unserem Gespräch nicht richtig verstehe. Die Kosovarische Flagge findet er 'nicht so schön' wie er sagt. Seiner Meinung nach müssten beide Flaggen irgendwie kombiniert werden, das Rot und der Adler müssen erhalten bleiben, und dann könnte man vielleicht die Umrisse des Landes und die Sterne noch hinzufügen.
Hört sich gut an!
In Anbetracht der hier feilgebotenen Ramsch-Souvenirs mit Kosovo-Wappen, würde die Souvenir-Industrie sicher ein Nervenzusammenbruch erleiden, würde sich die Flagge nochmals ändern....



Montag, 4. Oktober 2010

Die deutsche Widervereinigung, das albanische Berlin und wie ich alles erlebte

Es ist spät heute. Es war ein langer und historischer Tag. Ich kam noch nicht dazu alles zu lesen und zu verarbeiten was da heute, nach 20 Jahren Widervereinigung, passiert ist. Der neue Präsident hat eine Rede gehalten und erläutert das er auch der "Präsident der Muslime" ist. Der Reichstag wurde in den Nationalfarben gehüllt und überall gab es Glückwünsche. Das ist Zweifelsohne ein großer Tag für Deutschland.


Er ist auch deswegen so groß weil ich heute erlebte was eine unglaubliche Teilung einer Stadt bewirkt. Ich bin 1983 in Mitrovice geboren. Mitrovice liegt im Norden des Kosovos und wird gerade von französischen, griechischen, dänischen, italienischen und marrokanischen Soldaten bewacht. Mitrovice ist das albanische Berlin. Es ist eine Stadt die seit dem Ende des Krieges 1999 geteilt ist. Jetzt schon 11 Jahre. Im Norden leben die Serben und im Süden die Albaner. Auf der Brücke, die Mitrovice teilt anstatt sie zu verbinden, ware heute die Polizei des Kosovos und Polnische, Italienische und Französische Soldaten der Kfro Friedenstruppe der Nato, die für eine ruhige Lage gesorgt haben. Mitrovica hat so viele Probleme als geteilte Stadt die sehr schwer zu schildern sind- zumal von einem der dort geboren ist. Die Industrie liegt brach, die ethnischen Spannungen nehmen immer wieder zu, die Zugverbindungen funktionieren nicht, 82% der Bevölkerung sind arbeitslos und es gibt wenig Hoffnung auf Besserung. Kurz gesagt: Es ist ein ständiges Pulverfass.

Mitrovice hat besondere Bekannschaft erlangt als im März 2004 die Unruhen im Kosovo dort ausbrachen, es 19 Tote und über 700 Verletzte gab und sehr viele religöse Objekte im ganzen Land verwüstet und abgebrannt wurden.

In dieser Stadt gibt es im Moment ca 2700 Fälle von Eigentumdelikten. Das heisst ca 2700 Leute haben keinen Zugriff auf ihren Besitz in Form von Häusen, Wohnungen oder Land. Diese Situation ist seit dem Kriegsende so. Eine Familie davon ist meine Familie die auf der Nordseite der Stadt eine Wohnung hat- in die sie nicht rein kann. Meine zwei Tanten und zwei kleine Kinder leben in einem "Haus" das einer Serbin gehört. Das haben die französichen Einheiten so geregelt vor 11 Jahren. So ist es geblieben bis heute. Der Betrag der inoffizielle kursiert über den Wert der Güter ist bei 11 Millionen Euro. Die KPA (Kosovo Property Agency) versucht licht zu bringen ins dunkle.

Im Fall meiner Familie sieht das wie folgt aus:

1. Wohnung der Familie Idrizi ist im Norden der Stadt. Dort wohnt ein Serbe Names Spasic.

2. Herr Spasic ist nach dem Krieg aus der Stadt Vushtrri geflüchtet aus seinem Haus. Dort Wohnt jetzt die Familie Hasani.

3. Die Familie Idrizi wohnt im Haus der Famili Kostic. Diese ist geflüchtet aus dem Haus weil ein Sohn der Dame Polizist war und in Kriegsverbrechen verwickelt war. Die Familie Idrizi wurde dort reingesetckt von den Franzosen- hat das Haus nicht besetzt.

4. Die Familie Kostic ist wiederrum im Norden in der Wohnung der Familie Bajrami. Diese ist die einzige die noch einen zweiten Besitz hat im Süden und somit nicht als Flüchtling in ihrer eigenen Stadt oder im eigenen Land unterwegs ist.

Alles klar???

Zusammenfassung: Es sind 5 Familie betroffen die alle keine Lösung finden. Doch heute kam Bewegung in die ganze Sache. Frau Kostic hat ein Angebot für ihr Haus bekommen über 16.000 Euro- von einem Investor. Sie fordert die Familie Idrizi mit ihren zwei Kindern auszuziehen bis zum 1.1.2011 oder das Haus selbst zu kaufen. Wenn sie das Geld hat kauft sie im Norden die Wohnung der Familie Bajrami.

Herr Idrizi musste heute Herr Spasic treffen um ihn zu sagen das er die Wohnung jetzt kaufen muss sonst hat er kein Geld für Frau Kostic. Leider ist Herr Spasic in Norwegen. Somit gibt es ein ernsthaftes Problem- das mich unterwartet traf mit meiner Familie. Kpa kann da nichts machen. Sollten meine Tanten raus müssen, was in Form einer Räumung mit der Spzialeinheit der Kosovopolizei passiert, wird sie keine Ersatzbude kriegen. Trotz des Status Refugee in der eigenen Stadt.

So geht es denn meisten Albanerin in der Stadt. Das Roma, Egypter und Ashkali Viertel wurde für 5,2 Millionen von US Aid aufgebaut. Dort gibt es freie Wohnungen die meine Tanten gerne nehmen dürfen. Das können sie aber, nicht weil sie nicht zu den Minderheiten gehören. Ist das eine faire Politik frage ich mich schon den ganzen Tag? Natürlich nicht.

Im Rahmen dieser ganzen Probleme hab ich die Einheitsfeier heute verfolgt und hab mir gedacht: " Wie schön wäre es doch wenn diese Stadt auch geeint wäre und man einfach wieder in seine Wohnung kann": Alleine aus dieser Geschichte herraus sollte Deutschland sich stets bewusst vor Augen halten was das für eine große Leistung ist. Auch wenn nicht alles perfekt ist.

Samstag, 2. Oktober 2010

Stuttgart 21, Sarrazin und der Atomkonsens- oder auch der Schwarz- Gelbe Nonsens- aus der albanischen Außenperspektive.




Seit ich hier im Kosovo bin passiert relativ viel in der Deutschen Politik. Manche sprechen gar vom neuen „Herbst“.

Bisher fiel mir in Deutschland nur die Debatte über Sarrazin auf. Ich hab nicht viel über sie gesagt, hab mir nur viel angeschaut und musste verdammt viel staunen. Wie kann es sein das einer der mit Emotionen spielt, mit Fakten bekämpft werden soll? In Deutschland fehlt die Debatte in Form von Emotionen. Ich rede nicht von Emotionen mit denen man sich bekämpft, Nein ich rede von Emotionen die überzeugen. Ich höre und lese was Herr Sarrazin von sich gibt und wundere mich darüber das ihm keiner einen richtigen Konter gibt. Wieso fragt ihn nur keiner was er denn so als Finanzsenator der Stadt Berlin getan hat für die Integration? Nicht viel. Viele werden sagen das es Unsinn ist ihn das zu fragen. Berlin hat doch kein Geld und wer arm ist (aber sexy) der hat keine Spielräume. Nein Spielräume hat er nicht aber jetzt einen Spielplatz in dem er sich beschwert über die Kopftuchfrauen und ihre Männer die leider keinen Sprachkurs besuchen konnten- weil Sarrazin selber diese “eingespart“ hat.  Ich hab das Gefühl das Deutschland durch die Politik sich gerade enorm schadet. Deutschlands Ruf in der Welt eilt ihnen voraus. Das Land in dem wir alle jammern ist draußen in der Welt oft ein Beispiel. Es Beispiel in dem die „Verhältnismäßigkeit“ eine wichtige Rolle spielt und in der Prozesse in der Mitte eine wichtige Rolle haben. Man versucht vom Vorbild zu lernen. In letzter Zeit wird das Vorbild aber immer mehr und mehr angekratzt. Die Rolle des Volkes wird unterdrückt. Minderheiten machen eine Politik und berufen sich auf ein Mandat, das so knapp war das es nicht mal nennenswert mehr ist als Mehrheit erwähnt zu werden. Der Staatsapparat wird gerade nach belieben eingesetzt.

Was den Atomkonsens angeht wird Deutschland seiner Vorreiterolle der regenerativen Energie auch nicht mehr gerecht. Man ist Weltmarktführer in der Technologie, aber ein Entwicklungsland in der Umsetzung. Wie kann man ernst genommen werden wenn man so handeln und reden (Nicht)verbindet?

Was Stuttgart 21 angeht so bin ich um so verwunderter seit Gestern. Diese Bilder der Demonstranten haben mich mitgenommen. Solche Szenen kenne ich aus dem Süden der Republik nicht. Ich kenne nicht die ganzen Quellenlage, was mich enorm stört da ich Wert lege auf die Möglichkeit es mir selber anzuschauen, aber was dort gezeigt wird ist ernst zu nehmen- und total unverhältnismäßig.

In einem Land das seit immer schwarz ist wird recht rabiat reagiert. Diese rabiate Art ist ein ernsthaftes Problem. Es liegt an zwei Sachen die ich für wichtig halte: Die S 21 Gegner haben einen Anspruch der Revision der ganzen Sache weil sich die Fakten einfach rabiat geändert haben. Nimmt man nur den Faktor des Geldes (wie ich böse sagen würde des Schwabens wichtigstem Kind) dann ist das eine enorme Schwankung von 2 auf eine unbekannte Zahl über 8 Milliarden nicht hinnehmbar. Potenzialität ist nicht hier gefragt. Es geht um Fakten. Aus einem Ei wird nicht immer ein Huhn und aus den 8 Milliarden Ausgaben werden nicht irgendwann, irgendwelche Einnahmen. Die Verhältnismäßigkeit ist während des Prozesses verloren gegangen. Dabei spielt keine Rolle ob jemand eine Alternative hat oder nicht. Anhalten und Nachdenken muss man. Das muss auch geschehen. Geschieht das nicht haben wir ein Problem.



Der andere Punkt ist jener das im Schwabenland der Protest von einer Gruppe getragen wird die eine Gruppe ist die immer mehr aus dem Blickfeld der Politik gerät je mehr man über sie redet: die Mitte. Die Schwaben so wie ich sie über fast 2 Dekaden nun kennenlernen durfte sind sehr Konsens orientiert. Das solche eine Eruption an Protest entsteht ist eine Gefahr für die Macht- da sie in der Form selten stattfindet aber wenn dann doch erfolgreich. Eine Mitte die diesen Protest trägt ist gefährlich weil sie nicht nur protestiert sondern auch Ressourcen hat. Diese Ressourcen, die von den der Palette der Mittel der Politik bis hin zum Recht auf Protest reicht, werden meistens Richtig eingesetzt. Der Protest ist intelligent und effizient organisiert und zeigt etwas, das ein Defizit in der heutigen Politik darstellt: Die Politik hat keine Antwort darauf wie man auf solche schnelle wechselnde Formen reagieren kann. Sie ist zu statisch. Hinterfragt man sein handeln wird man als wankelmütig bezeichnet- nicht als reflektiert.


Was mach ich? Ich sitze hier in Prishtina fest und bin nicht froh darüber. Ich schau mir das sehr interessiert an und überlege wie ich mich da einbringen kann. Ich bewundere es was da passiert. Weil trotz aller Änderungen doch etwas gezeigt wird. Es gibt eine Regung in der Bevölkerung die Demokratie nicht als eine Entscheidung abgibt die irgendwann getroffen wird sondern zumindest in Stuttgart verstanden hat das es ein Prozess ist. Für gewöhnlich brauche manche bissen länger aber wenn es läuft dann ist es langfristig. Ich glaube das Mappus ein ernsthaftes Problem hat- genau wie alle anderen Parteien im Land- denen das Souverän gezeigt hat das es nicht alles hinnimmt.

Wie beide rauskommen ohne Schaden ist nur die Frage? Eine Antwort gibt es auch schon: Mappus wird den Schaden haben- zusammen mit Frau Merkel. Fakten werden jetzt nicht mehr zählen, wenn man versucht Fakten zu schaffen. Das Volk wird auch Fakten schaffen mit Stimmzetteln im März 2011.

Dienstag, 28. September 2010

(lisa) Es regt sich was in der Hauptstadt....

Auch ich stelle nach nun 6 Wochen eine leichte Änderung der Stimmung in der Stadt fest. Mit dem langsam Einzug findenden Herbst (wirklich sehr langsam und vorsichtig) färben sich die Blätter in Prishtinas grüner Lunge Germia ganz bunt, es regnet mehr und der allabendliche 'Corsa' auf der Fußgängerzone wird dünner und kürzer. Ich habe das Gefühl, alles läuft ein wenig in geordnetere Bahnen (vielleicht auch nur, weil für mich alle Wege und viele Dinge mehr und mehr Routine werden), vielleicht kann man sagen, der Trubel des Sommers, die Aufregung um die vielen Besuche der im Ausland lebenden Familien und um die vielen Hochzeiten legt sich. Und trotzdem passiert viel.
Eine Sache, die mir außerdem auffällt, ist, dass seit ca. 2 Wochen viel mehr Polizei und auch wieder viel mehr KFor in der Stadt zu sehen sind, ich kann mir nicht erklären wieso, aber irgendwie ändert auch das die Stimmung.
Ich gerate manchmal ins Grübeln, ob ich die Stadt und die Mentalität ganz entspannt und locker oder sehr schnell und vital finde. Einerseits mahlen die Mühlen langsam, jeder nimmt sich Zeit für dich, Arbeitsprozesse dauern ewig, Emailadressen sind nie aktualisiert, man hat das Gefühl alles findet nur in Cafés bei macchiato te madhe statt, Probleme bleiben Probleme, Dinge verharren in ihren alten Strukturen.
Andererseits passiert dauernd etwas, bewegt sich alles so schnell, riesige Schlaglöcher befinden sich von einem auf den anderen Tag inmitten einer Straße und am nächsten Tag sind sie auch schon wieder weg, große Baustellen verwandeln sich in schöne asphaltierte Straßen, Häuser wachsen stetig Stock für Stock in die Höhe, Dinge erledigt man, indem man das Telefon in die Hand nimmt und sofort handelt, Cafés oder Läden, die man heute toll und interessant findet, sind morgen nicht mehr da, politische Debatten, die im Parlament geführt werden, finden sich sofort in Form von Protestplakaten auf der Straße wieder.
Man trifft unheimlich aktive Leute mit Ideen, Hoffnungen, Optimismus und nur ein paar Minuten später Leuten denen Resignation, Pessimismus und Ignoranz ins Gesicht geschrieben steht.
Viele internationale Organisationen versuchen viel zu bewegen. In der Fußgängerzone wird mit einer interessanten Müll-Inszenierung auf die unglaubliche Umweltverschmutzung aufmerksam gemacht, eine ergreifende Ausstellung auch in der Fußgängerzone macht auf die Schrecken aufmerksam, die immer noch viele Familien durchleben, da sie Vermisste im Krieg zu beklagen haben, deren Schicksal noch immer nicht geklärt werden konnte (auch politisch hier momentan ein sehr aktuelles Thema), die European Heritage Days finden statt und mit ihnen ein kleiner Bazaar, der traditionelle albanische Kultur in Form von Kleidung, Essen, Tänzen, Musik etc. vorstellt, das PriFilmFest, ein internationales Film Festival, findet zum 2ten Mal statt, mit vielen Filmen, die vor allem Thematiken rund um den Balkan behandeln, ein kleines KulturFestival '4tunedCities' beginnt heute (mehr unter www.4tunedcities.org), 'Albania's got Talent' hatte gestern eine Casting-Sequenz in Prishtina, eine Tourismus-Messe soll einerseits Einrichtungen die Möglichkeit geben, sich vorzustellen andererseits jungen Prishtinalis bei der Jobsuche helfen...all das während es im Norden des Kosovo weiterhin zu Ausschreitungen zwischen den 2 Ethnien kommt (zuletzt nachdem die Albaner während des Basketball-Halbfinales Serbien-Türkei die Türkei unterstützen, und diese auch gewinnen), die Regierung und 'Opposition' um Weichenstellungen und Richtung des jungen Staates debattieren und der Präsident des Kosovo zurücktritt....

Und Lisa spaziert weiter durch die Stadt, hält die Augen offen, sammelt, hört hin, überlegt und beginnt die letzten 5 Wochen ihrer Reise....

(lisa) Zu Besuch in Nordalbanien - oder Kampf der Kulturen

Am letzten Wochenende war ich zu Besuch bei einer Familie in einem verlassenen Bergdorf in Nordalbanien. (Diese Familie hatte ich während meiner letzten Albanienreise im März kennengelernt).
Nordalbanien – vor allem die Bewohner der nördlichen Berglandschaft tragen den Ruf, noch sehr sehr traditionell und in ihren Strukturen verharrend zu sein. Oh jaaaa!
Mit Aleksi, dem 33jährigen Sohn (der einzige der Familie, der Englisch spricht) wollte ich am Sonntag auf eine Hochzeit gehen. Da hatte ich mich sehr drauf gefreut, denn Hochzeiten in Albanien / im Kosovo sollen etwas ganz besonderes sein (und leider ist die 'Hochzeitssaison' mit dem Monat September dann auch zu Ende – meine letzte Chance also). Nachdem wir  Sonntag früh aufgewacht waren und Aleksi wie immer aus dem Bett nach seiner Schwester rief, ihm Frühstück und heiße Milch zu bringen (unglaublich – aber ganz normal dort! Die Schwester ist um die 40, ist Lehrerin im Dorf, hat keinen Mann und keine eigene Familie, und wird somit den Rest ihres Lebens bei ihren Eltern im Dörfchen verbringen und auch ein wenig die Rolle als Haushälterin übernehmen), nachdem Aleksi nun jedenfalls wach war, kam die Schwester ganz aufgeregt schnatternd ins Zimmer und fing an rumzuwüten und rumzufluchen. Aufgrund von Gerüchten, die eine Nachbarin ihr gesteckt hatte, hatte sie entschlossen, dass Aleksi nicht mit mir zu der Hochzeit gehen dürfte, denn wenn die Gäste dann denken, wir zwei seien verheiratet, dann hätte Aleksi gar keine Chance mehr, eine Braut zu finden. Nach hitzigen Diskussionen (die ich ja alle nicht verstand) resignierte ich schon von selber, Tyrannenschwester legte also Aleksi Anzug, Socken und Schuhe zurecht und schickte ihn alleine auf die Hochzeit. Unglaublich! Aleksi fand das schade (vor allem, weil er im Vorfeld abgesprochen hatte, dass er mich mitnehmen will) und hatte kurz die Idee, mich als Journalistin mitzunehmen, fügte sich dann aber lieber. 'Er will einfach keinen Ärger mit Schwester und Mutter....'

Das Land, auf dem die Familie lebt, ist bereits zwischen Aleksi und Bruder aufgeteilt. Die Schwestern bekommen kein Erbe.
'Findest du das nicht unfair, dass deine Schwestern gar nix bekommen?'
'Ja, das ist schon unfair!'
'Und?'
'Ja, so ist das in Albanien. Die Frauen bekommen eben nix'

Ein Mädchen in dem Dorf wurde von einem Ziegenhirt vergewaltigt. Das Mädchen erzählt das nicht und geht schon garnicht zur Polizei. Wenn es öffentlich wird, dass sie vergewaltigt wurde, dann verliert sie komplett ihr Ansehen und wird keinen Ehemann mehr finden.

Kein Kommentar.

Auch die Blutrache gibt es hier noch ganz vereinzelt. Sie basiert auf dem Kanun und 'ermöglicht' Familien, Tötungen oder auch andere Verletzungen der Ehre mit dem Tod zu rächen.
Ich dachte, dies wäre so langsam ausgestorben. Aber anscheinend hält es sich in ganz abgelegenen Gegenden immer noch. Auf meine Frage hin, erzählt Aleksi, dass ein Freund von ihm gerade erst in solch eine 'Racheaktion' verwickelt war.

Der Kanun ist ein Gewohnheitsrecht, das seit dem 15. Jhr in Albanien und im Kosovo existiert und lange Zeit als eine Art paralleles Rechtssystem fungierte. Heute – wie ich gerade beschrieben habe – wird es immer noch in einigen abgelegenen Gegenden eingehalten. Der Kanun bestimmt(e) wichtige Aspekte wie das Schuldrecht, Ehe- und Erbrecht, Strafrecht, Jagdrecht oder Landwirtschaftsrecht. Auch das Leben in der Großfamilie, mit 3 Generationen unter einem Dach, wird vom Kanun zu Grunde gelegt.
Hier mal einige Beispiele aus der Deutschen Übersetzung (lange war der Kanun nur mündlich überliefert, zum Ende des 19. Jhr dann aufgeschrieben):


  • Sich nach dem Kanun verheiraten heißt, ein Haus gründen oder das Haus um ein Glied vermehren, sowohl für die Arbeit, als auch für die Vermehrung der Nachkommenschaft. Hat der Jüngling Eltern, hat er nicht das Recht: seine eigene Heirat zu bedenken, den Vermittler zu bezeichnen, sich in die Verlobungsverhandlungen einzumischen. Wenn das Mädchen auch keine Eltern hat, so hat es doch kein Recht, sich mit der eigenen Heirat zu befassen, das Recht ist in der Hand der Brüder oder Vettern. Das Mädchen hat kein Recht: den eigenen Gefährten zu wählen. Sie wird zu dem gehen, mit dem sie sie verloben. Das Mädchen hat kein Recht, sich in Vermittlung oder Verlöbnis einzumischen

  • Die albanische Frau hat kein Erbteil der Eltern, weder Grund noch Haus. Der Kanun hält die Frau als einen Überschuss, ein Anhängsel im Haus. Die Eltern haben keine Aussteuer, kein Heiratsgut für die Tochter zu bedenken; er, der sie nimmt, wird für sie sorgen. Sie ist schakull (Schlauch), in dem die Ware transportiert wird, d.h. Sie ist dazu bestimmt, die Kinder eines fremden Mannes (eines nicht Blutsverwandten) zu tragen, sonst aber, dem Blute nach, gehört sie ihrem Elternhause, wohin sie als (kinderlose) Witwe wieder zurückkehrt. Für zwei Dinge hat die Frau die Patrone im Rücken, und für einen Grund darf ihr die Quaste abgeschnitten und sie entlassen werden: 1. Für Untreue. 2. für Verletzung der Freundschaft. Für diese beiden Taten tötet der Gatte die Frau, sie bleibt ohne Schutz, ohne Gottesfrieden (die Eltern sind nicht zur Treue verpfichtet), und ihr Blut wird nicht gefordert

  • Man begrüßt sich mit dem Freund, nimmt ihm die Waffen ab, führt ihn ins Haus. Dem Freund wird mit Brot, Salz und Herz Ehre erwiesen. Das Brot, Salz und Herz, den Holzblock und Streu für das Lager findet der Freund zu jeder Stunde des Tages und der Nacht. Dem müden Freund wird aufgewartet mit Diensten und Ehrbezeugung. Dem Freunde werden die Füße gewaschen. Für jeden Freund braucht es die Speise, an die er selbst gewöhnt ist. Für den guten Freund braucht es Kaffee, Branntwein und gedeckten Tisch mit einer Speise des Überflusses. Betritt dir der Freund dein Haus, hat er dir seine Schuldigkeit bezahlt. Kommt dir der Freund ins Haus und er schuldet dir selbst Blut, du wirst ihm sagen 'Gut, dass du kamst'. Der Freund wird begleitet, so weit er begleitet zu sein bittet.

Ich muss sagen, diese und noch viele weitere Stellen des Kanun konnte ich (wenn auch in abgemilderter Form) erleben.

Samstag, 25. September 2010

Worte von Mutter Theresa für unsere albanischen Leser- zum 100 jährigen von ihr.

Liebe Leser, ich bitte um Nachsicht, dass manche Buchstaben wegen der Tastatur nicht perfekt sind im Albanischen. Ich bitte um eine Übersetzung ins Englische. Einfach an unsere Email posten: asaprojectprishtina@gmail.com


Cila eshte dita me e bukur: sot. (Welcher Tag ist der Schönste: Heute)
Gjeja me e lehte: gabimi.          ( Die leichteste Sache: Der Fehler.)
Pengesa me e madhe: frika.      ( Das größte Hindernis: Die Angst)
Burimi i cdo te keqeje: egoizmi.(Die Quelle allen Übels: Egoismus)

Argetimi me i bukur: puna.        ( Die beste Unterhaltung: Die Arbeit)
Disfata me e keqe: merzia.        (Die größte Niederlage/Unglück: Langeweile)
Profesoret me te mire: femijet.   (Die besten Professoren: Kinder)
Nevoja kryesore: komunikimi.   (Der Hauptbedarf: Kommunikation)

Gezimi me i madhe: te jesh i dobishem per te tjeret.  (Die größte Freude: für andere nützlich zu sein)
Fshetesia me e madhe: vdekja.     ( Das größte Geheimnis: der Tod.)
Mangesia me e madhe: moskenaqesia.( Der größte Mangel: die Unzufriedenheit.)
Njeriu me i rrezikshem: rrencaku.( Der gefährlichste Mensch: der Lügner.)
Ndjenja me e keqe: mllefi. (Das schlimmste Gefühl: die Wut.)
Dhurata me e bukur: falja. ( Das größte Geschenk: Vergebung.)
Gjeja me e nevojshme: familja. (Die notwendigste Sache: Die Familie.)
Rrota me e shpejte: drejtesia. (Das schnellste Rad: Das Recht.)

Perjetimi me i pelqyshem: paqja shpirterore. ( Das schönste Erlebnis: der innere Frieden.)
Mbrojtja me e suksesshme: buzeqeshja. (Die erfolgreichste Verteidigung: Das Lächeln.)
Mjekimi i me i mire: optimizmi.(Die beste Medizin: Optimismus)
Kenaqesia me e madhe: kryerja e detyres. (Die größte Freude: Beendigung einer Aufgabe.)

Fuqia me e madhe ne bote: feja. (Die größte Macht auf Erden: die Religion.)
Njerzit me te nevojshem: prinderet. (Die wichtigsten Menschen: die Eltern.)
Gjeja me e bukur: dashuria. ( Die schönste Sache: die Liebe.)

Samstag, 18. September 2010

Der Alltag, die Änderungen und die Politik.

Seit ungefähr einer Woche hat sich die Stimmung im Kosovo wesentlich geändert. Es ist ruhiger geworden und trister. Die Albaner aus der Diaspora sind weitestgehend aus dem Stadtbild verschwunden mit ihren unzähligen Kennzeichen der fremden Länder, das Wetter schlägt ein bissen mehr ins Graue um und die Krähen, Tauben und Vögel vermehren sich wie beim Film von Hitchcock „Die Vögel.“ Am späten Abend kann man immer das Phänomen beobachten, dass endlos viele Vögel, meistens Krähen, über die Dächer von Prishtina fliegen und auf unserem Dach eine nette Zwischenlandung machen.

Was die Stimmung angeht ist sie trotz allem tagsüber sehr aktiv. Am Abend wird es jedoch ruhig. Es ist nicht mehr so, dass viele Menschen auf den Straßen sind. Eine allgemeine „Beruhigung“ hat eingesetzt. Ich kenne den Kosovo nicht aus dieser Perspektive, da ich bisher immer nur um die Sommerzeit da war. Damit meine ich die Zeit, in der es von Albanern aus der Diaspora wimmelt. Somit ist es auch für mich eine neue Erfahrung, die ich hier mache.

Eine neue Erfahrung war die Tage auch eine Sequenz im Parlament. Wir waren Gäste von Driton Tali, dem unabhängigen Kandidaten im Parlament, den wir zwei nur „Westerwelle“ nennen weil er Ähnlichkeit mit ihm hat. Die Sitzung ging um ein Thema, das den Kosovo sehr bewegt politisch. Seit dem Kriegsende gibt es eine große Welle der Privatisierung von Staatsbetrieben. Es läuft fast gleich wie mit der Treuhandgesellschaft in der DDR, die nicht nur gut war wie wir alle wissen.

Im Kosovo ist die Privatisierung soweit, dass die „großen“ Staatskonzerne jetzt privatisiert werden. Diese Sitzung handelte von der Privatisierung der PTK (Post und Telekommunikation des Kosovo). Der Wert der Privatisierung ist irgendwo zwischen 300 und 600 Millionen Euro und betrifft 3000 Mitarbeiter. An sich hört sich das alles Recht unspektakulär an bis auf die Sache, dass im Kosovo 40% Arbeitslos sind und dieses Unternehmen einer der größten Arbeitgeber ist.

Vor der Hauptsitzung gab es eine aktuelle Fragerunde und den 'Internationalen Tag der Demokratie' (ja das wird hier gefeiert und war ein bisschen wie der 'Tag der offenen Türen'), bei dem alle da waren - die gesamte Regierung. Nach circa 10 Minuten war die Regierung weg. Der zweite Vorsitzende des Parlamentes blieb noch da und der Finanzminister Shala, der das ganze Leid und die Beschwerden der Abgeordneten und der Oppoistion einstecken musste. Es juckte ihn aber nicht wirklich. Ich war erstaunt und zugleich zutiefst erschüttert über diese Gleichgültigkeit.

Der einzige Hoffnungsschimmer war Driton Tali. Er attackierte den Finanzminister richtig hart und kümmerte sich nicht wirklich arg darum, ob ihm das Wort abgeschnitten wurde am Mikrofon. Ich war froh eine kleine Opposition zu sehen und jemanden, dem es nicht egal war, ob die Privatisierung “300 oder 600 Millionen einbringen würde“ (zum Vergleich das BIP von Kosovo ist ca 1 Mrd.). Er warf dem Minister persönliche Bereicherung vor und daher macht die „Differenz“ nichts aus, warf ihm Korruption vor und redete sich richtig in Rage. Das gefiel mir, weil es ein kleiner Hoffnungsschimmer in der Landschaft ist.

Das ist der Alltag im Kosovo nach über einem Monat. Es macht Spaß das alles zu sehen.