eingeweiht am 17. Februar 2008

eingeweiht am 17. Februar 2008
Newborn Denkmal in Prishtina, eingeweiht am 17. Februar 2008.Aufbruch in eine neue Zukunft!

Mumsen und Lisa mitten drin!

Mumsen und Lisa mitten drin!
Mumsen und Lisa mitten drin!

Nach 3 Monaten

Nach 3 Monaten
Ein Bild zum Abschied - der Winter ist fast da, Lisa hat eine neue Frisur, Mumi eine neue Sitzhaltung....und wir sind voller Erlebnisse und Eindrücke....

Mire se vini

Ludwigsburg / Lüneburg 01.11.2010

Wir sind wieder zurück!

Der Aufenthalt im Kosovo ist beendet und wir sind mit unglaublichen Eindrücken, Erlebnissen, Fragen, Unsicherheiten und Erfahrungen zurückgekehrt in den Alltag. Als Erinnerung bleibt nicht nur dieser Blog!


Wer sind wir und was machen wir hier?

Wir sind Muhamet und Lisa, zwei Studierende von der PH Ludwigsburg bzw. Uni Lüneburg. Dank eines ASA Stipendiums haben wir die Möglichkeit bekommen, hier in Prishtina, Kosovo ein Projekt durchzuführen.

Hier auf diesem Blog wollen wir euch mit kleinen Anekdoten, Geschichten, Gedanken an unseren Erfahrungen Teil haben lassen. Es wird hoffentlich interessant, lustig, nachdenklich, schrill, aufklärend und und und. Rechts unter der Rubrik 'Seiten' findet ihr unsere Projektbeschreibungen und jeweilige Entwicklungen.

Viel Spaß wünschen wir!

Dienstag, 28. September 2010

(lisa) Zu Besuch in Nordalbanien - oder Kampf der Kulturen

Am letzten Wochenende war ich zu Besuch bei einer Familie in einem verlassenen Bergdorf in Nordalbanien. (Diese Familie hatte ich während meiner letzten Albanienreise im März kennengelernt).
Nordalbanien – vor allem die Bewohner der nördlichen Berglandschaft tragen den Ruf, noch sehr sehr traditionell und in ihren Strukturen verharrend zu sein. Oh jaaaa!
Mit Aleksi, dem 33jährigen Sohn (der einzige der Familie, der Englisch spricht) wollte ich am Sonntag auf eine Hochzeit gehen. Da hatte ich mich sehr drauf gefreut, denn Hochzeiten in Albanien / im Kosovo sollen etwas ganz besonderes sein (und leider ist die 'Hochzeitssaison' mit dem Monat September dann auch zu Ende – meine letzte Chance also). Nachdem wir  Sonntag früh aufgewacht waren und Aleksi wie immer aus dem Bett nach seiner Schwester rief, ihm Frühstück und heiße Milch zu bringen (unglaublich – aber ganz normal dort! Die Schwester ist um die 40, ist Lehrerin im Dorf, hat keinen Mann und keine eigene Familie, und wird somit den Rest ihres Lebens bei ihren Eltern im Dörfchen verbringen und auch ein wenig die Rolle als Haushälterin übernehmen), nachdem Aleksi nun jedenfalls wach war, kam die Schwester ganz aufgeregt schnatternd ins Zimmer und fing an rumzuwüten und rumzufluchen. Aufgrund von Gerüchten, die eine Nachbarin ihr gesteckt hatte, hatte sie entschlossen, dass Aleksi nicht mit mir zu der Hochzeit gehen dürfte, denn wenn die Gäste dann denken, wir zwei seien verheiratet, dann hätte Aleksi gar keine Chance mehr, eine Braut zu finden. Nach hitzigen Diskussionen (die ich ja alle nicht verstand) resignierte ich schon von selber, Tyrannenschwester legte also Aleksi Anzug, Socken und Schuhe zurecht und schickte ihn alleine auf die Hochzeit. Unglaublich! Aleksi fand das schade (vor allem, weil er im Vorfeld abgesprochen hatte, dass er mich mitnehmen will) und hatte kurz die Idee, mich als Journalistin mitzunehmen, fügte sich dann aber lieber. 'Er will einfach keinen Ärger mit Schwester und Mutter....'

Das Land, auf dem die Familie lebt, ist bereits zwischen Aleksi und Bruder aufgeteilt. Die Schwestern bekommen kein Erbe.
'Findest du das nicht unfair, dass deine Schwestern gar nix bekommen?'
'Ja, das ist schon unfair!'
'Und?'
'Ja, so ist das in Albanien. Die Frauen bekommen eben nix'

Ein Mädchen in dem Dorf wurde von einem Ziegenhirt vergewaltigt. Das Mädchen erzählt das nicht und geht schon garnicht zur Polizei. Wenn es öffentlich wird, dass sie vergewaltigt wurde, dann verliert sie komplett ihr Ansehen und wird keinen Ehemann mehr finden.

Kein Kommentar.

Auch die Blutrache gibt es hier noch ganz vereinzelt. Sie basiert auf dem Kanun und 'ermöglicht' Familien, Tötungen oder auch andere Verletzungen der Ehre mit dem Tod zu rächen.
Ich dachte, dies wäre so langsam ausgestorben. Aber anscheinend hält es sich in ganz abgelegenen Gegenden immer noch. Auf meine Frage hin, erzählt Aleksi, dass ein Freund von ihm gerade erst in solch eine 'Racheaktion' verwickelt war.

Der Kanun ist ein Gewohnheitsrecht, das seit dem 15. Jhr in Albanien und im Kosovo existiert und lange Zeit als eine Art paralleles Rechtssystem fungierte. Heute – wie ich gerade beschrieben habe – wird es immer noch in einigen abgelegenen Gegenden eingehalten. Der Kanun bestimmt(e) wichtige Aspekte wie das Schuldrecht, Ehe- und Erbrecht, Strafrecht, Jagdrecht oder Landwirtschaftsrecht. Auch das Leben in der Großfamilie, mit 3 Generationen unter einem Dach, wird vom Kanun zu Grunde gelegt.
Hier mal einige Beispiele aus der Deutschen Übersetzung (lange war der Kanun nur mündlich überliefert, zum Ende des 19. Jhr dann aufgeschrieben):


  • Sich nach dem Kanun verheiraten heißt, ein Haus gründen oder das Haus um ein Glied vermehren, sowohl für die Arbeit, als auch für die Vermehrung der Nachkommenschaft. Hat der Jüngling Eltern, hat er nicht das Recht: seine eigene Heirat zu bedenken, den Vermittler zu bezeichnen, sich in die Verlobungsverhandlungen einzumischen. Wenn das Mädchen auch keine Eltern hat, so hat es doch kein Recht, sich mit der eigenen Heirat zu befassen, das Recht ist in der Hand der Brüder oder Vettern. Das Mädchen hat kein Recht: den eigenen Gefährten zu wählen. Sie wird zu dem gehen, mit dem sie sie verloben. Das Mädchen hat kein Recht, sich in Vermittlung oder Verlöbnis einzumischen

  • Die albanische Frau hat kein Erbteil der Eltern, weder Grund noch Haus. Der Kanun hält die Frau als einen Überschuss, ein Anhängsel im Haus. Die Eltern haben keine Aussteuer, kein Heiratsgut für die Tochter zu bedenken; er, der sie nimmt, wird für sie sorgen. Sie ist schakull (Schlauch), in dem die Ware transportiert wird, d.h. Sie ist dazu bestimmt, die Kinder eines fremden Mannes (eines nicht Blutsverwandten) zu tragen, sonst aber, dem Blute nach, gehört sie ihrem Elternhause, wohin sie als (kinderlose) Witwe wieder zurückkehrt. Für zwei Dinge hat die Frau die Patrone im Rücken, und für einen Grund darf ihr die Quaste abgeschnitten und sie entlassen werden: 1. Für Untreue. 2. für Verletzung der Freundschaft. Für diese beiden Taten tötet der Gatte die Frau, sie bleibt ohne Schutz, ohne Gottesfrieden (die Eltern sind nicht zur Treue verpfichtet), und ihr Blut wird nicht gefordert

  • Man begrüßt sich mit dem Freund, nimmt ihm die Waffen ab, führt ihn ins Haus. Dem Freund wird mit Brot, Salz und Herz Ehre erwiesen. Das Brot, Salz und Herz, den Holzblock und Streu für das Lager findet der Freund zu jeder Stunde des Tages und der Nacht. Dem müden Freund wird aufgewartet mit Diensten und Ehrbezeugung. Dem Freunde werden die Füße gewaschen. Für jeden Freund braucht es die Speise, an die er selbst gewöhnt ist. Für den guten Freund braucht es Kaffee, Branntwein und gedeckten Tisch mit einer Speise des Überflusses. Betritt dir der Freund dein Haus, hat er dir seine Schuldigkeit bezahlt. Kommt dir der Freund ins Haus und er schuldet dir selbst Blut, du wirst ihm sagen 'Gut, dass du kamst'. Der Freund wird begleitet, so weit er begleitet zu sein bittet.

Ich muss sagen, diese und noch viele weitere Stellen des Kanun konnte ich (wenn auch in abgemilderter Form) erleben.

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