Seit ungefähr einer Woche hat sich die Stimmung im Kosovo wesentlich geändert. Es ist ruhiger geworden und trister. Die Albaner aus der Diaspora sind weitestgehend aus dem Stadtbild verschwunden mit ihren unzähligen Kennzeichen der fremden Länder, das Wetter schlägt ein bissen mehr ins Graue um und die Krähen, Tauben und Vögel vermehren sich wie beim Film von Hitchcock „Die Vögel.“ Am späten Abend kann man immer das Phänomen beobachten, dass endlos viele Vögel, meistens Krähen, über die Dächer von Prishtina fliegen und auf unserem Dach eine nette Zwischenlandung machen.
Was die Stimmung angeht ist sie trotz allem tagsüber sehr aktiv. Am Abend wird es jedoch ruhig. Es ist nicht mehr so, dass viele Menschen auf den Straßen sind. Eine allgemeine „Beruhigung“ hat eingesetzt. Ich kenne den Kosovo nicht aus dieser Perspektive, da ich bisher immer nur um die Sommerzeit da war. Damit meine ich die Zeit, in der es von Albanern aus der Diaspora wimmelt. Somit ist es auch für mich eine neue Erfahrung, die ich hier mache.
Eine neue Erfahrung war die Tage auch eine Sequenz im Parlament. Wir waren Gäste von Driton Tali, dem unabhängigen Kandidaten im Parlament, den wir zwei nur „Westerwelle“ nennen weil er Ähnlichkeit mit ihm hat. Die Sitzung ging um ein Thema, das den Kosovo sehr bewegt politisch. Seit dem Kriegsende gibt es eine große Welle der Privatisierung von Staatsbetrieben. Es läuft fast gleich wie mit der Treuhandgesellschaft in der DDR, die nicht nur gut war wie wir alle wissen.
Im Kosovo ist die Privatisierung soweit, dass die „großen“ Staatskonzerne jetzt privatisiert werden. Diese Sitzung handelte von der Privatisierung der PTK (Post und Telekommunikation des Kosovo). Der Wert der Privatisierung ist irgendwo zwischen 300 und 600 Millionen Euro und betrifft 3000 Mitarbeiter. An sich hört sich das alles Recht unspektakulär an bis auf die Sache, dass im Kosovo 40% Arbeitslos sind und dieses Unternehmen einer der größten Arbeitgeber ist.
Vor der Hauptsitzung gab es eine aktuelle Fragerunde und den 'Internationalen Tag der Demokratie' (ja das wird hier gefeiert und war ein bisschen wie der 'Tag der offenen Türen'), bei dem alle da waren - die gesamte Regierung. Nach circa 10 Minuten war die Regierung weg. Der zweite Vorsitzende des Parlamentes blieb noch da und der Finanzminister Shala, der das ganze Leid und die Beschwerden der Abgeordneten und der Oppoistion einstecken musste. Es juckte ihn aber nicht wirklich. Ich war erstaunt und zugleich zutiefst erschüttert über diese Gleichgültigkeit.
Der einzige Hoffnungsschimmer war Driton Tali. Er attackierte den Finanzminister richtig hart und kümmerte sich nicht wirklich arg darum, ob ihm das Wort abgeschnitten wurde am Mikrofon. Ich war froh eine kleine Opposition zu sehen und jemanden, dem es nicht egal war, ob die Privatisierung “300 oder 600 Millionen einbringen würde“ (zum Vergleich das BIP von Kosovo ist ca 1 Mrd.). Er warf dem Minister persönliche Bereicherung vor und daher macht die „Differenz“ nichts aus, warf ihm Korruption vor und redete sich richtig in Rage. Das gefiel mir, weil es ein kleiner Hoffnungsschimmer in der Landschaft ist.
Das ist der Alltag im Kosovo nach über einem Monat. Es macht Spaß das alles zu sehen.
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