Auch ich stelle nach nun 6 Wochen eine leichte Änderung der Stimmung in der Stadt fest. Mit dem langsam Einzug findenden Herbst (wirklich sehr langsam und vorsichtig) färben sich die Blätter in Prishtinas grüner Lunge Germia ganz bunt, es regnet mehr und der allabendliche 'Corsa' auf der Fußgängerzone wird dünner und kürzer. Ich habe das Gefühl, alles läuft ein wenig in geordnetere Bahnen (vielleicht auch nur, weil für mich alle Wege und viele Dinge mehr und mehr Routine werden), vielleicht kann man sagen, der Trubel des Sommers, die Aufregung um die vielen Besuche der im Ausland lebenden Familien und um die vielen Hochzeiten legt sich. Und trotzdem passiert viel.
Eine Sache, die mir außerdem auffällt, ist, dass seit ca. 2 Wochen viel mehr Polizei und auch wieder viel mehr KFor in der Stadt zu sehen sind, ich kann mir nicht erklären wieso, aber irgendwie ändert auch das die Stimmung.
Ich gerate manchmal ins Grübeln, ob ich die Stadt und die Mentalität ganz entspannt und locker oder sehr schnell und vital finde. Einerseits mahlen die Mühlen langsam, jeder nimmt sich Zeit für dich, Arbeitsprozesse dauern ewig, Emailadressen sind nie aktualisiert, man hat das Gefühl alles findet nur in Cafés bei macchiato te madhe statt, Probleme bleiben Probleme, Dinge verharren in ihren alten Strukturen.
Andererseits passiert dauernd etwas, bewegt sich alles so schnell, riesige Schlaglöcher befinden sich von einem auf den anderen Tag inmitten einer Straße und am nächsten Tag sind sie auch schon wieder weg, große Baustellen verwandeln sich in schöne asphaltierte Straßen, Häuser wachsen stetig Stock für Stock in die Höhe, Dinge erledigt man, indem man das Telefon in die Hand nimmt und sofort handelt, Cafés oder Läden, die man heute toll und interessant findet, sind morgen nicht mehr da, politische Debatten, die im Parlament geführt werden, finden sich sofort in Form von Protestplakaten auf der Straße wieder.
Man trifft unheimlich aktive Leute mit Ideen, Hoffnungen, Optimismus und nur ein paar Minuten später Leuten denen Resignation, Pessimismus und Ignoranz ins Gesicht geschrieben steht.
Viele internationale Organisationen versuchen viel zu bewegen. In der Fußgängerzone wird mit einer interessanten Müll-Inszenierung auf die unglaubliche Umweltverschmutzung aufmerksam gemacht, eine ergreifende Ausstellung auch in der Fußgängerzone macht auf die Schrecken aufmerksam, die immer noch viele Familien durchleben, da sie Vermisste im Krieg zu beklagen haben, deren Schicksal noch immer nicht geklärt werden konnte (auch politisch hier momentan ein sehr aktuelles Thema), die European Heritage Days finden statt und mit ihnen ein kleiner Bazaar, der traditionelle albanische Kultur in Form von Kleidung, Essen, Tänzen, Musik etc. vorstellt, das PriFilmFest, ein internationales Film Festival, findet zum 2ten Mal statt, mit vielen Filmen, die vor allem Thematiken rund um den Balkan behandeln, ein kleines KulturFestival '4tunedCities' beginnt heute (mehr unter www.4tunedcities.org), 'Albania's got Talent' hatte gestern eine Casting-Sequenz in Prishtina, eine Tourismus-Messe soll einerseits Einrichtungen die Möglichkeit geben, sich vorzustellen andererseits jungen Prishtinalis bei der Jobsuche helfen...all das während es im Norden des Kosovo weiterhin zu Ausschreitungen zwischen den 2 Ethnien kommt (zuletzt nachdem die Albaner während des Basketball-Halbfinales Serbien-Türkei die Türkei unterstützen, und diese auch gewinnen), die Regierung und 'Opposition' um Weichenstellungen und Richtung des jungen Staates debattieren und der Präsident des Kosovo zurücktritt....
Und Lisa spaziert weiter durch die Stadt, hält die Augen offen, sammelt, hört hin, überlegt und beginnt die letzten 5 Wochen ihrer Reise....
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