Jetzt bin ich heute genau einen Monat im Kosovo. Es ist unglaublich, wie viel ich gesehen und erlebt habe. Täglich lerne ich mehr und mehr dazu.
Ich sehe aber auch täglich Spannungsfelder, die einen schnell aufreiben können. Es sind extreme Kontraste zwischen arm und reich, zwischen chic und ärmlich, Schubkarren und Autos, die ich selten in Deutschland sehe, zwischen Menschen, die Geld rauswerfen und Bettlern - an gleicher Stelle. Kontraste sind auch in den Ministerien zu sehen. Hier weht ein Kampf zwischen dem kommunistischen Gedanken in den Hinterfeldern und der neuen Generation in den oberen Gremien. Ich hab oft den Eindruck, dass die alten Garden das Rennen machen und es sich gut gehen lassen ohne etwas zu tun und somit auch die Ambitionen der Oberen stoppen.
Es lässt sich sagen, dass keine richtige Mitte ersichtlich ist. Es gibt sie zu selten und wenn sie anzutreffen ist, dann nur, damit sie nach oben strebt. Erst hier wird mir klar, wie verdammt wichtig sie ist, diese so oft genannte Mitte.
Spannungsfelder gibt es ohne Ende. Damen, die mit High Heels durch die Stadt laufen und im Schlamm landen wegen der Baustellen und es dennoch nicht aufgeben. Jungs, deren wichtigstes Lebensmerkmal „gut aussehen“ und eine coole Brille haben, sind. Ein Verkehr, der keine Art von Regeln einhält und Fußgänger in unglaubliche Gefahr bringt.
Trotz allem gibt es auch diese andere Seite, diese Gastfreundschaft, bei der dir jeder sogar sein letztes Stück Brot gibt, diese Merkmale der Kommunikation, in der man viel miteinander redet und sich findet. Irgendwie auch wenn es nicht komplett ist - es ist ausreichend.
Es gibt diesen Kontrast hier, zwischen 'Wir hassen unsere Politiker für das was sie tun', und 'Wir lieben sie abgöttisch'. Es gibt diese Einstellung gegenüber den Internationalen, die zwiespältig ist, zwischen 'Gut, dass sie da sind' und 'Sie sollten gehen'.
Es gibt eine Einstellung, 'familiär' zu denken, zum eigenen Vorteil, 'regional' zu denken zum eigenen Vorteil und 'institutionell' zu denken, zum eigenen Vorteil. Korruption nennt das keiner hier, denn es ist keine, sondern eher Tradition aus der Geschichte heraus.
Ich bin hier seit einem Monat, bewege mich dazwischen, versuche zu verbinden und es gelingt zum Teil, andererseits werde ich beäugt und mit Vorsicht genossen - vielleicht auch gerade wegen der Spannungsfeldern, die ich aufzeigen kann: in der Handlung, im Denken, in der Richtung. Ich werde anders beurteilt in meinen Handlungen, weil ich auch eine Gefahr und Konkurrenz darstelle. Das wird mir immer wieder klar. Oft wird es mir auch direkt gesagt.
Die Brücke von Mitrovice symbolisiert für mich dieses Hin und Her, zwischen irgendwo und nirgendwo, die Spannung, die in der Luft liegt - im Spannungsfeld. Was mich hält und erhält ist die Tatsache, dass ich vertraue in eine Richtung. Ich bau auf, auch wenn ich scheitern kann. Ich bau auf, weil ich denke, dass man hier Reibungsfläche braucht - um etwas entstehen zu lassen.
Eigene Spannungsfelder werden mich noch lange beschäftigen. Das weiß ich sicher.
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